Die Wildschweinplage
 
Beatrix
Reiss
   
REISS & Leute
   
am 16. November 2005
um 18.15 Uhr
live vom Festplatz
in Bremm
 
Sie pflügen Äcker und Wingerte, Vorgärten und Sportplätze um - Wildschweine haben sich in den vergangenen Jahren rasant vermehrt.

Naturschützer und Landwirte werfen den Jägern vor, die großen Wildschweinbestände selbst zu produzieren: Sie fütterten die Schwarzkittel an, um genügend vor die Flinte zu bekommen. Mittlerweile stamme ein Drittel der Schweinenahrung aus Weidmannshand. Außerdem würden zu wenige Wildschweine geschossen, um der Plage Herr zu werden.

Die Jäger fühlen sich zu Unrecht angegriffen: Sie beteuern, die Wildschweine intensiv zu bejagen. In der Erntezeit seien sie Tag und Nacht unterwegs, um die Felder vor den gefräßigen Paarhufern zu schützen. Als Pächter der Jagdreviere leisteten sie erkleckliche Ausgleichszahlungen an geschädigte Bauern.

 
Während der Weinlese vor wenigen Wochen stellten viele Winzer im Kreis erschrocken und verärgert fest, dass das Wild kräftig mitgeerntet hatte. Wildsauen und Rehe ließen sich die vollreifen Trauben munden und sorgten für Aufregung.

Auf dem Bremmer Festplatz war in den frühen Abendstunden des 16. November 2005 regelrechte Weinfeststimmung: Eine 40-Kilo-Wildsau drehte unter der fachmännischen Aufsicht von Frank Schinnen aus Ernst über dem offenen Holzkohlefeuer ihre Runden; Bremmer Winzer boten die besten Tropfen aus ihren Spitzenlagen an. Auf dem Platz tummelten sich fast so viele Menschen, wie beim Weinfest im September. - Die Moderatorin von Reiss & Leute" war begeistert: Nach Bremm sollten wir öfter kommen. Hier ist ja richtig was los!"

Nach dem Vorspann, den man auf einem Monitor verfolgen konnte, begann pünktlich um 18.15 Uhr die Übertragung. In der offiziellen Gesprächsrunde stand der Cochemer Winzer Rolf Haxel, der Kreisjagdmeister von Cochem-Zell, Lorenz Steden, der Jagdreferent im Umweltministerium RP, Rüdiger Kassel, sowie der Biologe und hartgesottene Jagdgegner aus Baden-Württemberg, Kurt Eicher. In der erweiterten Runde kamen der Bremmer Bürgermeister, Heinz Berg, der Landwirt Hermann Kessler aus Lutzerath, der Bremmer Winzer Ulrich Franzen, die Jagdpächterin Claudia Diewald aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich; Elisabeth Emmert vom Ökologischen Jagdverband Baden-Württemberg sowie Hans-Jürgen Sehn, 1. Vorsitzender des Bauern und Winzerverbandes Cochem-Zell, zu Wort.

Winzer, Bauern, aber vor allem die Jagdvertreter hatten gegen den wortgewaltigen Jagdgegner Kurt Eicher einen schweren Stand. Was der Tierschützer (Sind Sie Vegetarier? - Logisch!) von den Jägern hält, zeigte er durch das Tragen eines überdimensionalen Ansteckers, auf dem schwarz auf weiß zu lesen war: "Jagd und Jäger gehören ins Museum". Das sahen die Jäger, Winzer und Bauern freilich ganz anders. Die am Anfang von Rolf Haxel getätigte Feststellung; die Population sei zu hoch, zog sich wie ein roter Faden durch die Sendung. In diesem Punkt gab es sogar eine Übereinstimmung mit dem Biologen. Nur: Dieser sieht die wahren Gründe dafür in anderen Sphären - und zwar in der übermäßigen Fütterung. Lorenz Stenden konterte den Redefluss des Kontrahenten mit der gewohnt sicheren Fachkompetenz. Unterstützt wurde er vom Jagdreferenten des Ministeriums, Rüdiger Kassel. Viel Zustimmung fanden die Ausführungen der Jagdpächterin aus dem Kreis Bernkastel.Wittlich, Claudia Diewald; sie spricht sich dafür aus, dass alle - Bauern, Winzer und Jäger - das Problem gemeinsam lösen müssen. Hermann Kessler lobte die Bremmer Jagdpächter, die bei der Schadensregulierung nie Probleme bereiteten. Der Landwirt, der u. a. die gesamte Feldflur der Gemeinde Bremm gepachtet hat, resümierte: "Einen absolut sicheren Schutz gegen die Wildsauen gibt es nicht. Selbst Baumatten aus Eisen rammten sie um und fraßen einen Hektar Mais auf!" Ganz anders sieht die Situation für die Winzer aus. Ulrich Franzen aus Bremm klagt an: Durch Wildschweine und Rehe hatte ich im letzten Herbst den Verlust von etwa zwei Tausend Liter Most zu verkraften. Den Schaden ersetzt mir keiner!" Zu guter Letzt war man sich darüber einig - ausgenommen Kurt Eicher - dass die Population nur durch eine verstärkte, intensive Bejahung gesenkt werden kann. - Vor allem auch"; so Lorenz Steden, in den Hanglagen und hier speziell in den Wingerten. Das ist zwar nicht ganz einfach, aber durchaus möglich!"

Eine Bemerkung noch zum Schluss: Mit seiner Forderung, die Jagd in Deutschland abzuschaffen und die Jäger ins Museum zu verfrachten, befindet sich der streitbare Biologe, mit Verlaub gesagt, auf dem Holzweg. Würde man diesem "Frommen" Wunsche Rechnung tragen, wäre das absolute Chaos in unseren Revieren perfekt. Und damit wäre nun wirklich keinem geholfen! Doch mit seiner knallharten Kritik, dass das Wild - und hier vor allem die Sauen - zu stark gefüttert wird, lag er nicht ganz daneben; dann in manchen Revieren hat man diesbezüglich wohl etwas zu viel "des Guten" getan. Außerdem hat man es versäumt, das Wild. und nicht nur die Sauen, in den Wingertslagen konsequent zu bejagen. In Fachkreisen spricht man von einer jährlichen Vermehrungsrate beim Schwarzwild von sage und schreibe 300 Prozent des Bestandes. Die hieraus resultierenden Folgen sind ja mittlerweile bekannt.

Rolf Goergen, Bad Bertrich

Fotos: Rolf Goergen und Simone Schlägel, Bremm und SWR
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