HISTORIA BREMVM - Die Geschichte(n) der Ortsgemeinde Bremm an der Mosel
Die Glocken von St. Laurentius - Zweiter Teil
    von Toni Ostermann
    siehe auch: Die alte Turmuhr
Wer die Glocke heute sieht, fragt sich bestimmt, was es denn mit dem ausgefransten Glockenrand auf sich hat.

Das Geläute stand, nachdem es aus dem Kirchturm herabgelassen worden war, einige Tage bis zur Abholung im Aufgang zur Kirche.

Einige Bremmer nutzten die Gelegenheit, sich Erinnerungsstücke aus dem Metall herauszuschlagen. Man konnte schließlich nicht ahnen, dass die Glocke nach einiger Zeit wieder ihren Wege in den Bremmer Kirchturm finden sollte.

Foto: Dietmar Büttner, Bremm, 2008
Hier die fast abenteuerliche Fortsetzung der Geschichte von Teil I.

Zusammengestellt nach Überlieferung von Zeitzeugen, schriftlichen Aufzeichnungen von Bremmer Mitbürgern und eigenen Erlebnissen / Erinnerungen von Toni Ostermann 2006 / 2008.

Die Glocken von 1834 überstanden an ihrem angestammten Platz im Kirchturm gute und schlechte Zeiten, Kriege, Brandkatastrophen und manche (auch politische) Stürme. Sie riefen die Gläubigen zum Morgen- und Abendgebet und erinnerten an die Mittagspause bei Feld- und Weinbergsarbeiten. Sie riefen zu Gottesdiensten und verkündeten Freude bei Festen – aber auch Leid bei Todesfällen oder Unglücken. Sie erklangen bis etwa 1915 unbehelligt in unserem engen Moseltal.

Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges sollten die Glocken zur Kriegsrüstung und Herstellung von Waffen eingeschmolzen werden. Doch der damalige Bremmer Pastor (von 1900 – 1921) Josef Schilling, ein energischer und resoluter Streiter für den Glauben, wehrte sich mit Erfolg gegen die Beschlagnahmung. Er veranlasste ein Probeläuten, bei dem die Bremmer ihre ganze Kraft an den Seilen einsetzten und die „Kriegsbehörden“ überzeugten sich von der einmaligen Klangfülle im Moseltal, einmal aus Richtung Calmont und ein anderes Mal vom „Gründchen“ (moselaufwärts). Sie konnten überzeugt werden und verzichteten auf die Beschlagnahmung. So konnten „die wertvollen Bronzeglocken wegen ihres hervorragenden Klanges“ in Bremm erhalten bleiben (so die Überlieferung).

Doch im Jahre 1942 kam es anders: Die Glocken mussten einen Zwangsurlaub antreten. Der Zweite Weltkrieg tobte an verschiedenen Fronten, Munition und Kriegsmaterial wurde knapp. Deshalb wurden viele Glocken zur Kriegsrüstung beschlagnahmt, wahrscheinlich auch als Maßnahme gegen die katholische Kirche, um die Religion zu schwächen oder zu vernichten. Die Nationalsozialisten wollten alle Glocken einschmelzen lassen, nicht nur „zur Sicherung der Metallreserven“. Vielmehr wiesen Dokumente darauf hin, dass nach dem Willen der Nazis nach dem „Endsieg“ in Deutschland nur noch zwölf Glocken des Reichstagsgebäudes läuten sollten.

Eine Gruppe "Handwerker" montierte also die Glocken im Turm ab, über Seilwinden wurden sie abgelassen und über lange Balkenpritschen die hohen Kirchentreppen hinab transportiert. Den oberen Weg entlang der Weinberge zum Friedhof gab es damals noch nicht.

Wir Bremmer Jungendliche schlugen von dem Rand der Glocken kleine Erinnerungsstücke ab. Die ganze Dorfbevölkerung war verärgert über den „Glockendiebstahl“, konnten jedoch nichts dagegen unternehmen.

Ein „Befürworter“ sprach von der Notwendigkeit dieses Opfers und versprach neue Glocken nach dem Krieg.

Hier der Text des vorliegenden Originalbriefes des Befürworters W. Klein:

„Die Glocken von Bremm im Kriegseinsatz"

Am 3. September 1942 wurden die Glocken abmontiert und mittels Auto den Bedürfnissen des großen Krieges zugeführt.

Das Herabholen der Glocken war keineswegs einfach. Die Bevölkerung, an der Spitze gerade auf Urlaub weilende Soldaten, stellten sich den Arbeitern in den Weg. Das Werkzeug wurde die hohen Kirchenmauern herab in die Weinberge geschleudert und die Arbeiter waren gezwungen, von ihrem Tun abzulassen. Erst als sich das Landratsamt einschaltete und die Leute auf das Unsinnige der Handlungsweise aufmerksam machte, wurde kein Widerstand mehr geleistet.

Ist der große Krieg vorbei, dann wird Bremm seine Glocken wiedererhalten. Jetzt aber wird das Metall gebraucht zur Herstellung von Waffen und Munition und das Glockenzinn zum Ausgießen der Lager der Autos unserer motorisierten Verbände. Wenn einem unserer herrlichen Truppen das Leben durch die Hergabe der Glocken erhalten bleibt, dann ist das Einziehen der Glocken gerechtfertigt“

Ein Soldat, der zum Fronturlaub nach Hause kam und wahrscheinlich schon die Sinnlosigkeit des Krieges erkannt hatte, schleuderte aus Protest die Werkzeugkiste der „Handwerker“ im weiten Bogen über die Friedhofsmauer in die Tiefe. Erst beruhigende Worte mit den Handwerkern und Behörden konnten den betreffenden Soldaten vor einer Bestrafung bewahren.

Als Ersatz für die drei Glocken erhielten wir eine Glocke aus Ediger leihweise. Diese wurde an den beiden Torpfosten zum Friedhof unten am Missionskreuz aufgehängt. So konnte wenigstens diese eine Glocke zu den Kirchdiensten und als Totenglocke für die Gefallenen läuten.

1946 wünschten sich die Bremmer wieder neue Glocken. Die Edigerer wollten ihre Glocke wieder zurückhaben. So beschlossen unsere Kirchenväter die Anschaffung eines neuen Geläutes.

Dieses wurde in einer Glockengießerei in Bochum (Bochumer Verein) in Auftrag gegeben. Zur Bezahlung war unter anderem auch eine beträchtliche Weinlieferung vereinbart. Es war zwar auch Geld vorhanden, aber die „Reichsmark“ hatte keinen besonderen Wert mehr. So sammelten die Bremmer Winzer Flaschenweine. Diese wurden am Bahnhof in Bengel/Ürzig in Güterwagen unter Schrott und anderen Transportgütern versteckt und sollten so nach Bochum transportiert werden.

Bochum war damals bekanntlich englische Besatzungszone – wir hier lagen in der französischen Zone.

  Doch bereits in Koblenz wurde der Wein von französischen Soldaten entdeckt und beschlagnahmt – vermutlich durch Verrat. Die Begleitperson musste flüchten, um der Verhaftung zu entgehen.

So musste eine zweite Weinlieferung gesammelt werden. Ein Teil davon wurde nach Brohl geschafft, unter Getränkekisten mit Brohler Sprudel versteckt und so nach Bochum gebracht. Ein weiterer Teil wurde mit einem Lkw auf einer sogenannten „Vereinsfahrt“ (des Sportvereins) unter den Sitzen der Teilnehmer in Richtung Eifel nach Bochum auf den Weg gebracht, teils aber auch in Rucksäcken über versteckte Waldwege über die Grenze geschmuggelt.

Die Glockenlieferung konnte also im Sommer 1947 erfolgen. Die neuen Stahlglocken trafen mit der Bahn in Eller ein. Sie wurden mit Fuhrwerken nach Bremm gebracht, an der Kirchstraße freudig in Empfang genommen – gesegnet und die hohen Kirchtreppen aufwärts gezogen und auf den Turm gehievt.

Am 27. August 1947 – am Hochzeitstag der Eheleute Arnold und Josefine Schlägel (geb. Kölsch) – konnte erstmals feierlich geläutet werden.

Doch inzwischen hatte uns ein Gerücht erreicht: In Hamburg auf einem ehemaligen Industriegebiet sei ein „Glockenfriedhof“.

Nachforschungen ergaben, dass dort noch etwa 1000 Glocken lagerten, die nicht eingeschmolzen waren. Auch die Bremmer Glocken konnten gefunden werden. Die Bremmer Gläubigen wollten die alten wertvollen Glocken wiederhaben und so veranlasste der Kirchenvorstand die Rückführung.

Also wurden die neuen Stahlglocken wieder vom Turm abgenommen und die alten wertvollen Bronze-Glocken wieder hochgehievt – alles über die engen und hohen Kirchentreppen – eine sehr schwierige Arbeit. Die neuen Stahl-Glocken wurden nach Kastellaun verkauft und unsere alten Glocken läuten wieder hier im Moseltal.

Noch während meiner Messdienerzeit (bis 1951) wurden die Glocken vom unteren Turmraum aus mit dicken Seilen von Hand vor dem Gottesdienst geläutet. Erst einige Jahre später wurde der Glockenstuhl verstärkt und ein elektrisches Geläute eingebaut.

Mögen die Glocken der Kirche St. Laurentius noch sehr lange das Wort Gottes hier im Tal verkünden und die Bewohner und Gäste unter dem Schutz und der Fürsprache der Gottesmutter Maria, des hl. Sebastianus und des hl. Laurentius hier Glück und Zufriedenheit finden. Dies ist auch mein persönlicher Wunsch für Sie alle!

Außer der Glockenbeschreibung im Teil I –, Herstellung der 3 Hauptglocken um 1834 – geht die Geschichte noch weiter:

1.) Die 4. Glocke des ursprünglichen Geläutes von 1572 / 1575 / 1580

Die älteste, zur Zeit noch in Bremm vorhandene Glocke, stammt aus dem Jahre 1580. Sie befand sich in einer Nische im Glockenturm bis etwa 1970. Damals wurde für die drei Hauptglocken ein elektrisches Geläute eingebaut, mit einem neuen Glockenstuhl aus Stahl und Turmverstärkung. Die kleine, sogenannte „Maiglocke“ musste zunächst weichen.

Sie trägt den Namen „Maria“ und wurde überwiegend im Mai zur abendlichen Maiandacht geläutet – deshalb auch „Maiglocke“. Sie trägt die Inschrift: „Maria Heissen ich, in Gottes Namen luet man mich. Im Jahre 1580 Heinrich VAN Collen Gus mich“.

Diese Glocke steht heute im Chorraum der Kirche und wird als Gong bei der hl. Messe genutzt. Der hölzerne Glockenstuhl wurde vom Stellmacher Peter Steffens, die Eisenbeschläge vom Schmied Fritz Franzen, beide aus der unteren Moselstraße, angefertigt (etwa um 1960). Sie wiegt etwa 400 kg. Bei der Aufstellung in der Kirche wirkten Arnold Kreuter und Theobald Schmitz mit.

2.) Eine weitere noch kleinere Glocke befindet sich im Türmchen der Friedhofs-Totenkapelle. Sie stammt aus der um 1800 erbauten „alten Schule“ an der Moselstraße, die 1970 wegen Neubau der Bundesstraße abgerissen wurde. Dieses „Schulagläckelche“ wurde zu Beginn des Schulunterrichts, und Ende der Pausen, geläutet. Jetzt hängt sie „stumm“ in der Totenkapelle.

3.) Und letztendlich die „kleinste“ Glocke hängt an der Ausgangstür der Sakristei zum Kirchenraum und wird jeweils zu Beginn der Gottesdienste kurz angeläutet.

Sie wurde von der Gemeinde Bremm gestiftet (damals Bürgermeister Herbert A. Schmitz) anlässlich der Kirchenrenovierung (1968 / 70) und des 25-jährigen Priesterjubiläums von Pastor Aloys Weier. Die Aufschrift lautet: „Benedicamus Domino, Deo Gratias. Ihrem Pastor zum Silbernen Priesterjubiläum“. (ohne Datumsangabe)

4.) Bekanntlich „fliegen“ alle Kirchenglocken an Karfreitag nach Rom. Die Glocken und auch die Orgel verstummen aus Trauer über den Tod Jesus Christus. In Rom erhalten die Glocken den „Ostersegen“ für das kommende Jahr und kehren am Ostersonntag zur Auferstehung wieder zurück.

Während dieser Zeit gehen die Kinder zu den Gottesdiensten, zur Früh- und Abendglock, durch das Dorf „Kläppern“. – Mit Klappern und Rumpelfässern rufen sie Sprüche: „Ät leit Bädglock – dä Fritz dä schläft noch“, oder „Meddach, Honnekrach, iwermorje es Usderdach“, oder zum Gottesdienst: „dad es dad echtemol – mir kumme nochemol“.

     
Die alte Turmuhr
Wie die Patina auf der Mechanik der Kirchturmuhr belegt, war dieses Räderwerk im Turm der Bremmer Pfarrkirche seit Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb. Heute steuert eine Elektronik die korrekte Anzeige der Uhrzeit und das Läuten der Glocken.
Foto: Dietmar Büttner, Bremm, 2008
Eng verbunden mit dem Schicksal der Kirchenglocken ist auch die alte Turmuhr. Vermutlich ebenfalls mit den Glocken um 1834 – 1850 eingebaut.

(Ein großes Eisen-Gestänge –Gehäuse- eingebaut in eine etwa 2 x 1,50 m große / 2 m hohe Holzhütte im zweiten Stockwerk des Turmes, ein bizarres, faszinierendes Räderwerk mit Hebeln, Pendeln, Seilen und Gewichten.)

Einmal pro Woche (samstags) wurde die Uhr mit einem großen Hebelarm aufgezogen, d. h. die schweren Eisengewichte wurden an den langen Seilen nach oben gezogen. Und so konnten sie eine ganze Woche lang das Räderwerk in Betrieb halten. Über Rollen und lange Seile war die Verbindung zur dritten Etage bzw. dort nach außenhin auf die Zifferblätter zur Zeitanzeige hergestellt. Ebenso zu den Schlaghämmern an den Glocken zur lautstarken Verkündung der Uhrzeit.

  Bei der mittleren Glocke zu jeder Viertelstunde. ¼ = 1 x, ½ = 2 x, ¾ = 3 x, volle Stunde = 4 x beng, dann die ganzen Stunden mit je einem Doppelschlag auf der großen Glocke bong-bong.

Übrigens – das Mittagsläuten der Glocke erfolgte jeweils ¼ vor 12 Uhr – und zwar deshalb: Damit die Männer vom Feld oder Weinberg pünktlich um 12 Uhr zum Mittagessen zu Hause sein konnten.

Leider wurde beim Einbau des elektrischen Antriebs zum Glockenläuten (etwa 1970) und zusätzlicher Sicherungsstahlträger im Turm, die Seile und Gestängeantriebe entfernt und die Uhr (auch wegen Reparaturanfälligkeit und Ungenauigkeit) stillgelegt.

Das Uhrwerk, Gehäuse und Einzelteile sind noch vorhanden. Besichtigung am 11.6.2008 / Toni Ostermann und Dietmar Büttner zusammen mit Theobald Schmitz (Kewes) – dem Kirchen-Schlüssel-Türschließer.

Kirchenglocke auf der Kirchentreppe, ganz mit Vogelkot verdreckt, wartet sie hier auf den Abtransport nach Hamburg
Quelle: Margret Schmitz, Bremm
Weitere historische Fotos finden Sie im
Alten Fotoalbum von Bremm an der Mosel
Literaturquelle(n)
     
     
 
Bildquelle(n)
Dietmar Büttner   Glocke im Turm
Dietmar Büttner   Turmuhrmechanik
Rainer Pellenz   Das Alte Fotoalbum von Bremm
     
 
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Dieser Beitrag wurde verfasst von Toni Ostermann, Bremm   Korrekturdatum:
Eventuelle Korrekturhinweise bitte an toni.ostermann@bremm-mosel.de   27.06.2009 RP
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