Auszug
aus dem Buch Spätrömische
Höhensiedlungen
in Eifel und Hunsrück
von Karl-Josef
Gilles, 1985
Seiten 69 bis 70
und Seite 236

7.1. Exkurs
Höhenheiligtümer
Zu den römischen
Höhensiedlungen zählt bedingt
auch die Gruppe der Berg- oder
Höhenheiligtümer, die bislang
nur in den seltensten Fällen als
solche erkannt und allzu oft als
Bergbefestigungen oder
Signalstationen angesprochen
wurden. Wenn sie dennoch hier
kurz berücksichtigt werden,
obwohl sie sich von ihrer
Bauanlage und ihrer Funktion
deutlich von den befestigten
Höhensiedlungen unterscheiden,
erfolgt dies vornehmlich aus
Gründen der Abgrenzung, zumal
vom Oberflächenbefund eine
Differenzierung recht schwer
fällt.
Auf 14 Bergen oder Höhen (H 1
- 14) unseres Arbeitsgebietes,
die aufgrund ihrer Lage durchaus
als befestigte Höhensiedlung
geeignet wären, können wir beim
derzeitigen Forschungsstand ein
solches Berg- oder
Höhenheiligtum vermuten. Obwohl
ein Heiligtum nur in wenigen
Fällen durch Untersuchungen
nachgewiesen ist, wie in
Ettringen (H 3) oder Fell (H 12),
eventuell auch in Bonn-Bad
Godesberg (H 1), lassen gewisse
Kriterien auf ein Bergheiligtum
schließen.
Leicht fällt eine
Entscheidung bei einer Anhäufung
von Terrakottenfragmenten, wie in
Ettringen (H 3), Boos (H 4),
Bremm (H 8), Wittlich-Neuerburg
(H 10), Fell (H 12) und Bockenau
(H 14). Zwar liegen bisweilen
auch von befestigten
Höhensiedlungen
Terrakottenbruchstücke vor, doch
handelt es sich dabei in der
Regel um Einzelstücke, die zum
persönlichen Besitz des ein oder
anderen Bewohners der
Höhensiedlungen gehörten.
Bemerkenswert ist ferner das
Auftreten von Kultbildern oder
Weihesteinen, wie in Bonn-Bad
Godesberg (H 1), Hinterweiler (H
6), Fell (H 12) und Hinzenburg (H
13), wobei aus Fell und
Hinzenburg auch verschiedene
Säulenfragmente bekannt sind,
die als Spolien ausscheiden.
Auf eine Cella deuten
verschiedentlich im Zentrum der
Bergkuppe (H 1, H 3, H 8, H 13, H
14) oder auf einem exponierten
Punkt des Bergsporns oder -grats
(H 5, H 7, H 11, H 12)
festgestellte Quadrat- oder
Rechteckbauten hin.
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Typisch ist für die
Mehrzahl der als Höhen- oder
Bergheiligtümer angesprochenen
Plätze, daß sich die römischen
Oberflächenfunde - soweit die
Anlagen nicht mittelalterlich
überbaut sind - nur über einen
kleineren Bereich der Kuppe, des
Sporns oder des Grats erstrecken,
im Gegensatz zu den befestigten
Höhensiedlungen, wo die
Lesefunde über die ganze Höhe
streuen und auf eine dichte und
geschlossene Besiedlung des
Gipfels schließen lassen. Weiter
haben die mutmaßlichen
Bergheiligtümer - sofern beim
vorliegenden Fundmaterial eine
Aussage möglich ist - von
unseren Höhenbefestigungen
abweichende Münzreihen. Diese
setzten wie in Nürburg (H 2),
Ettringen (H 3), Boos (H 4),
Hinterweiler (H 6), Brernm (H 8),
Zell (H 9) und Fell (H 12) mit
Münzen des 1. oder frühen 2.
Jahrhunderts ein, wobei jene
weniger abgegriffen sind, und
schließen in der Regel mit
Prägungen des späten 4.
Jahrhunderts. Allerdings sind
Gepräge der 2. Hälfte des 2.
und der 1. Hälfte des 3.
Jahrhunderts im Gegensatz zur
zeitgleichen Keramik nur schwach
vertreten, wohingegen späte
Antoniniane der Jahre nach 275,
die auf den befestigten
Höhensiedlungen meist fehlen,
relativ gut repräsentiert sind
und eine kontinuierliche Nutzung
der Heiligtümer nach der
Katastrophe von 275 / 6
nahelegen. Andererseits vermißt
man wieder Keramik der 2. Hälfte
oder des ausgehenden
4.Jahrhunderts, obwohl Münzen
dieses Zeitabschnittes mitunter
zahlreich vorliegen. Wohl nicht
zufällig werden viele der
Höhenheiligtümer an Orten
angelegt, die bereits in
vorgeschichtlicher Zeit als
Befestigung (H 5, H 7, H 9, H 11,
H 13, H 14) oder Siedlung,
vielleicht auch als Heiligtum (H
3, H 12) genutzt waren.
Bekanntere Beispiele, wie die
innerhalb der beiden Oppida von
Otzenhausen und vom Donnersberg
lokalisierten Heiligtümer, seien
hier kurz angefügt. Ob mit der
Ortswahl vielleicht bewußt oder
gezielt an die Plätze der Ahnen
angeknüpft wurde, mag derzeit
dahingestellt sein. Andererseits
fehlen an den von uns als
Höhenheiligtum angesprochenen
Orten - sofern sie nicht bereits
in vorgeschichtlicher Zeit
befestigt waren - Anzeichen von
Gräben oder Umwehrungen, die auf
eine befestigte Höhensiedlung
schließen ließen.
Eine unterschiedliche Nutzung
einer der aufgeführten Höhen,
zunächst als Heiligtum, später
als Berg- befestigung, ist nach
römischem Sakralrecht nur schwer
vorstellbar. Nicht ohne Grund
wird daher im 4. Jahrhundert, als
im Wittlicher Tal an der
Römerstraße Trier - Andernach
zum Schutz der Straße eine
Bergbefestigung errichtet wurde,
die Wahl auf den Lüxemkopf bei
Wittlich - Bombogen und nicht auf
den benachbarten Burgberg bei
Wittlich - Neuerburg (H 10)
gefallen sein, da letzterer seit
dem 2. Jahrhundert bereits ein
Heiligtum trug, obwohl er für
die Anlage einer solchen
Höhenbefestigung wesentlich
besser geeignet gewesen ware.
Bremm Kr.
Cochem-Zell, Calmond (H 8)
Auf dem als Signalstation
gedeuteten Berggrat (KD Kr.
Cochem [München 1960] 324)
zeigen sich an der Oberfläche
Spuren eines quadratischen
Gebäudes mit zahlreichen
Ziegelresten. Bei verschiedenen
Raubgrabungen, wobei u. a. auch
eine Zisterne ausgehoben wurde,
kamen an nennenswerten Funden
mehr als 120 Münzen des frühen
2. bis späten 4. Jahrhunderts
(Schlußmünze: vor 388), eine
Scheibenfibel, 12
Terrakottenfragmente und
zahlreiche Keramikscherben, die
weitgehend der mittleren
Kaiserzeit angehörten, zutage
(unpubl.).
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